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Nobelpreis 2010 für den Pionier der IVF

Der Nobelpreis für Medizin 2010 wurde (endlich) Professor Robert G. Edwards für seine bahnbrechende Forschung zur In vitro-Fertilisation (IVF) verliehen. Zusammen mit dem 1988 verstorbenen Gynäkologen Patrick Steptoe gelang dem emeritierten Professor der Universität Cambridge nach langjähriger, systematischer Forschungsarbeit die Befruchtung einer menschlichen Eizelle ausserhalb des Körpers der Frau, worauf am 25. Juli 1978 Louise Joy Brown geboren wurde. Seither wurden weltweit über fünf Millionen gesunde Kinder im Reagenzglas «gezeugt», und Louise Brown ist ihrerseits 2006 Mutter eines gesunden Kindes geworden.

 

Bild rechts: Robert Edwards (vorn) mit dem 1988 verstorbenen Gynäkologen Patrick Steptoe.

 

 

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Die hohe Auszeichnung war überfällig und freut die Gemeinschaft der IVF-Spezialisten sehr. Auch im damals wie heute sehr forschungsfreundlichen England musste sich Edwards grosser Widerstände erwehren und sich die Mittel für seine Arbeit teils privat beschaffen. Heute gehört die In vitro-Fertilisation zum Alltag und wird nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt; dank der Leistung von Edwards und Steptoe wurde unzähligen Kinderwunsch-Paaren zum ersehnten Nachwuchs verholfen. Der Nobelpreis ist deshalb auch eine späte Rechtfertigung gegen jene, die unsere Tätigkeit immer noch in einer Art «Schmuddelecke» der Medizin ansiedeln.


Bild links: Der 1925 geborene Professor Edwards im Jahr 2008.

 

Der Widerstand der katholischen Kirche gegen die In vitro-Fertilisation ist nach über dreissig Jahren ungebrochen, obwohl er heute geradezu fundamentalistisch anmutet. Es wird vermutet, dass der Nobelpreis für Edwards deshalb so spät verliehen wurde. Leider ist Professor Edwards, der bis vor wenigen Jahren an allen grossen IVF-Kongressen anzutreffen war, sehr gebrechlich geworden und konnte den Preis nicht mehr selbst entgegennehmen.

 

Der Widerstand der katholischen Kirche gegen IVF

Dass eine heute alltägliche, erfolgreiche und familienpolitisch zu befürwortende medizinische Behandlungsmethode von einer Landeskirche eisern abgelehnt wird, stösst auf immer mehr Unverständnis, vor allem seitens der jüngeren Generationen. Das Schweizer Volk hat der IVF zuletzt im Jahr 2000 wuchtig mit über 70% der Stimmen zugestimmt; trotzdem meldeten sich sofort nach der Ankündigung des Nobelpreises für Edwards die wohlbekannten Kreise kritisch zu Wort. Die katholische Kirche beharrt auf folgenden Dogmen:

 

  • Das menschliche Leben beginnt mit der Zeugung im Geschlechtsakt zwischen Mann und Frau.
  • Der Geschlechtsakt darf nur im Rahmen der katholisch geschlossenen Ehe praktiziert werden und muss immer der Fortpflanzung dienen.

 

Gemäss diesen dogmatischen Vorstellungen ist Empfängnisverhütung genauso unzulässig wie die Zusammenführung von Ei- und Samenzelle im Reagenzglas. Mit ausgesuchter Spitzfindigkeit wird ferner argumentiert, IVF heile die Unfruchtbarkeit nicht wirklich, sondern behandle nur ein Symptom (dasselbe gilt aber für lebensrettende Massnahmen wie die Insulinspritze des Diabetikers oder den Stent bei Erkrankungen der Herzkranzgefässe). Schliesslich betrachtet der Vatikan die IVF als Eintrittspforte für den Missbrauch der Frauen als eine Art Gebärmaschinen.

 

Zum letzteren Punkt ist anzumerken, dass IVF in der Schweiz gesetzlich sehr streng geregelt ist und nur dazu dient, einem Paar von Mann und Frau zum eigenen Kind zu verhelfen. In Ländern mit liberaleren Gesetzgebungen in umstrittenen Fragen (Eizellspende in Spanien, Kinderwunschbehandlungen für gleichgeschlechtliche Paare in Skandinavien, Leihmutterschaft in England und USA) sind die Erfahrungen zumindest so, dass der Gesetzgeber zurzeit keinen Anlass sieht, die Zügel straffer anzuziehen. Menschen (auch Katholiken) lassen sich zudem in Fragen der Fortpflanzung ohnehin nicht bevormunden, weshalb Restriktionen einzig den sog. Fortpflanzungstourismus fördern.